Influenza: Risiken dürfen nicht unterschätzt werden

Tetravalenter Impfstoff bietet breiteren Schutz

Wie in jedem Jahr gibt es auch in diesem eine Grippewelle. Und wie immer wird es auch diesmal Skeptiker geben, die der Meinung sind, mit einer Erkältung schon fertig werden zu und auf eine Grippeimpfung daher verzichten können. Anders als eine Erkältung oder ein „grippaler Infekt“ ist die Influenza jedoch eine hochansteckende und teils sogar lebensgefährliche Viruserkrankung. Ansteckungsgefahr besteht vor allem dort, wo sich viele Menschen aufhalten, so beispielsweise in öffentlichen Verkehrsmitteln, Arbeitsstätten oder Schulen. Die Übertragung der Viren erfolgt durch Tröpfchen beim Niesen, Husten oder Sprechen, aber auch durch die Hände oder kontaminierte Gegenstände wie Türklinken, Treppengeländer etc.Typische Symptome einer Influenza sind Fieber und Kopf- bzw. Gliederschmerzen mit ungewöhnlich starker Erschöpfung. Charakteristisch sind darüber hinaus trockener Reizhusten, Halsschmerzen und Schweißausbrüche. Bei unkompliziertem Verlauf und wenn keine zusätzlichen Infektionen hinzukommen, klingen die Beschwerden in der Regel nach etwa einer Woche wieder ab. Bis zur gänzlichen Erholung kann es zuweilen allerdings deutlich länger dauern. Die Influenza kann jedoch auch schwer verlaufen und sogar zum Tod führen. Pro Grippesaison rechnet das Robert-Koch-Institut mit ein bis fünf Millionen Erkrankungen und 5.000 bis 20.000 zusätzlichen Krankenhauseinweisungen. Die Zahl der Todesfälle durch Influenza unterliegt erheblichen Schwankungen. Die sog. Exzess-Mortalität ist eine statistische Größe, die jährlich vom Robert-Koch-Institut (RKI) errechnet wird. In der Saison 2014/2015 wurde sie auf 21.300 geschätzt, der höchste Wert seit der Grippewelle 1995 /1996. Häufig sterben die Patienten an einer sekundären Pneumonie oder die Virusinfektion führt bei Patienten mit kardialem Leiden einen vorzeitigen Tod herbei. Ein besonders hohes Komplikations- und Sterberisiko tragen chronisch Kranke, Menschen mit einem geschwächten Immunsystems und Senioren über 65 Jahre. Rund 90 % der Todesfälle durch Influenza und Pneumonie betreffen ältere Menschen. Solche Daten belegen: Auch in Deutschland stellt die Influenza eine tödliche Gefahr dar, die nicht unterschätzt werden darf.

Jährliche Anpassung der Impfstoffe

Während einer Grippesaison zirkulieren üblicherweise mehrere verschiedene Influenza-Stämme. Da sich deren Eigenschaften verändern, wird die Antigenkombination der Impfstoffe von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Jahr für Jahr neu festgelegt. Dabei werden jeweils diejenigen Virus-Stämme berücksichtigt, die für den überwiegenden Anteil der Influenza-Infektionen in der vergangenen Saison verantwortlich waren. Nach Genehmigung der Stammanpassung erfolgt chargenweise durch das Paul-Ehrlich-Institut die Prüfung und Freigabe der hergestellten Influenza-Impfstoffe, die dann in der laufenden Saison in den Handel gelangen und angewendet werden. In den vergangenen Jahren wurden die saisonalen Grippewellen meist durch vier Influenza-Subtypen ausgelöst, nämlich A/H1N1, A/H3N2, B/Victoria und B/Yamagata.

Trivalente versus tetravalente Vakzine

Bis 2012 wurden ausschließlich sog. trivalente Impfstoffe eingesetzt, die nur drei dieser Virusstämme – die beiden A-Subtypen und einen B-Subtyp – enthielten. Dabei wurde immer der B-Subtyp empfohlen, von dem die Wissenschaftler der WHO erwarteten, dass er in der nächsten Grippesaison vorherrschend sein würde. Allerdings hat sich die B-Epidemiologie in den letzten Jahren dahingehend verändert, dass beide B-Stämme gleichzeitig im Umlauf waren oder sogar der B-Stamm vorherrschte, der nicht im Impfstoff enthalten war. So gab es in der Saison 2015/2016 einen ausgeprägten Mismatsch beim Influenza-B-Stamm im Standardimpfstoff. Der trivalente Impfstoff deckte den zirkulierenden Stamm B/Victoria, der 53 % aller Influenzaviren insgesamt ausmachte, nicht ab.

Für die Saison 2012 / 2013 empfahl die WHO daher erstmals einen tetravalenten Impfstoff, der zwei A- und zwei B-Virusstämme abdeckt und somit einen im Vergleich breiteren Impfschutz bietet. Bestehende Erstattungsmodelle lassen den Einsatz bislang jedoch nur für privat Versicherte und Selbstzahler zu. Von den gesetzlichen Krankenkassen wird nur der klassische trivalente Impfstoff übernommen, der erhebliche Immunitätslücken lässt.

Aktueller Impfstoff

Der Impfstoff für die Influenza-Saison 2017/2018 wurde im März 2017 von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) bekanntgegeben. Er setzt sich auf den Antigenen weltweit zirkulierender Varianten folgender Viren zusammen:

A/Michigan/45/2015 (H1N1) pdm09 – ähnlicher Stamm
A/Hong Kong/4801/2014 (H3N2) – ähnlicher Stamm
B/Brisbane/60/2008 – ähnlicher Stamm
Für die tetravalenten Impfstoffe werden die Antigene der oben genannten Viren empfohlen sowie eine Variante von B/Phuket/3073/2013 – ähnlicher Stamm.

Die Buchstaben A und B bezeichnen dabei die Virustypen, der Ortsname bezieht sich auf den Ort der Virusisolierung. Die erste Ziffer gibt die Nummer des jeweils isolierten Stammes an, die zweite das Isolierungsjahr. Mit H und N werden die beiden wichtigsten Proteine der Virushülle Hämagglutinin und Neuraminidase abgekürzt. Die Ziffer dahinter bezeichnet den aktuellen Hämagglutinin- bzw. Neuraminidase-Subtyp.

Tetravalente Impfung schließt gefährliche Immunitätslücken

Auch wenn eine Grippeimfpung naturgemäß keinen 100 %igen Schutz bieten kann: Nach wie vor bleibt sie die wichtigste und effektivste Präventionsmaßnahme. Sie verringert das Risiko vor schwerwiegenden Krankheitsverläufen. Gegenüber den trivalenten Impfstoffen bietet die tetravalente Variante eine weitaus zuverlässigere Abdeckung und schließt gefährliche Immunitätslücken.

Die ständige Impfkommission empfiehlt die Influenza-Impfung vor allem für Risikogruppen. Dazu gehören über 60-jährige Patienten, Schwangere ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel und Menschen mit Asthma, Diabetes oder chronischen Herz-, Kreislauf-, Leber- oder Nierenerkrankungen. Zudem sollten alle Personen geimpft sein, die Kontakt zu solchen Risikogroppen haben, vor allem Medizin- und Pflegepersonal und Beschäftigte in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr. Die erfahrungsgemäß beste Jahreszeit für den Impfschutz ist der Herbst. Ein ausreichender Schutz wird allerdings erst nach 10 bis 14 Tagen aufgebaut. Patienten, die sich kurz vor dem Impfen angesteckt haben, wird die Grippe daher nicht erspart bleiben. In solchen Fällen die Influenzaimpfung zu verdächtigen, ist jedoch falsch, denn von der Grippeimpfung kann man keine Grippe bekommen. Trotz Impfung auftretende Atemwegsinfekte wie z. B. Erkältungen werden durch andere Erreger verursacht, die nicht selten irrtümlich für eine Grippeerkrankung gehalten werden.

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2020-09-02T10:02:52+02:0022.10.2017|Allgemein|

Über den Autor:

Betriebsmediziner und geschäftsführender Gesellschafter der Prävent GmbH
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